(Große?) Spannbreite unterschiedlicher Gutachten zum selben Haus
Ahoi!
Im Rahmen eines geplanten Immobilienkaufs (Bestandsimmobilie) haben wir einen ortansässigen Gutachter beauftragt, der auf Grundlage eines ausgiebigen Ortstermins uns mal sagen sollte, inwiefern der von Verkäufern und Makler angedachte Wunschpreis (620.000€) ein realistischer Verkehrswert ist, und uns als Amateuren bei der Gelegenheit auch aufzeigen sollte, wo es evt. "Haken" an dem Objekt gibt, oder Überraschungen, auf die man sich einstellen sollte. Letztere fand er fast keine, sehr erfreulich. Bei der Bewertung liegt er bei 580.000€, was m.E. gar nicht so viel unter dem Angebotspreis liegt, wenn man bedenkt, auf welchem Level die Träume vieler Verkäufer derzeit noch zu liegen scheinen.
Interessant fand ich später dann zu sehen, um wieviel geringer die Bank dasselbe Objekt einschätzt. Sie liegt bei 500.000€, ohne Besichtigung und nur auf Grundlage der (wenn auch detaillierten) Unterlagen, die wir eingereicht hatten. Zunächst habe ich mir den Unterschied damit erklärt, dass jemand, dessen Werkzeuge vermutlich im Wesentlichen Excel und Google Maps sind, die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort nicht in derselben Weise würdigen kann wie jemand, der sich persönlich ein Bild z.B. vom Modernisierungsstand, von der Fachgerechtheit der Handwerksarbeiten usw. machen, und ggf. "hören, riechen, schmecken" kann.
Interessant fand ich dann aber, zu sehen, dass unser Gutachter letztlich zwei Werte ermittelt hat: den Wert auf Basis des "adress- und stichtagsbezogenen Sachwertfaktors" via Sprengnetter (hier: 1,07), und zum andern den Wert mit Hilfe des lokalen Gutachterausschusses (hier: 1,33). Heraus kommt einmal ~521.000€, und einmal ~648.000. Das entspricht einer Abweichung von 127.000€, was in Relation zu den absoluten Zahlen m.E. recht beachtlich ist. Sein Ergebnis ist einfach der Mittelwert aus beidem.
Diese Abweichung ist im konkreten Fall nicht "kriegsentscheidend", für uns folgt daraus erst einmal gar nicht viel.
Meine Frage, rein neugierhalber, ist nun, und ich finde (hier im Forum) dazu nichts: Mich interessiert der Hintergrund der starken Unterschiede in diesen beiden Faktoren. Denn: Beide Faktoren erheben ja den gleichen Anspruch, nämlich, ein Instrument zur Ermittlung eines realistischen Verkehrswertes zu sein? Auf welcher Grundlage aber können sie, salopp gesagt, jeweils behaupten: "ich weiß es besser!"?
AW: (Große?) Spannbreite unterschiedlicher Gutachten zum selben Haus
Reden wir mal von der Wahrheit:
"Wieviel wollen oder können Sie bezahlt?"; des Weiteren sind Sie bereit dafür bis zur Rente zur arbeiten?
Analog ist es ihnen bewusst, das niemals eine Anschlussfinanzierung garantiert ist?
Erheblich ist auch das es einen kleine Unterschiede gibt, so werden auf etlichen Web-Seiten Haus-Darlehn dargestellt die erhebliche wirtschaftliche Fehler aufweisen.
So werden Zinsen für eine 10 Jahres Finanzierung für eine 20 Jahresfinanzierung verwendet, was 0,8 % p.a zu wenig ist.
So ist es auch zwischen den Banken und Verkäufer und Käufer, insbesondere wenn die Bank der Verkäufer und Makler ist! Damit hat die kein Interesse, dass der billigere Verkaufspreis zustande kommt.
Weil die Courtage zu lukrativ ist! 648.000. mal 7,14 % 46.300 € versus 521.000 mal 7,14 % 37.000 € = 9.300 € mehr.
Gehen wir mal eine Vollfinanzierung aus von jeweils 100 %, 20 Jahre und 1 % p.a. Tilgung. Zinssatz 5,45 % p. a.
648.000 mal 6,45 % = 42.000 € oder 521.000 € mal 6,45 % = 28.400 € ergibt die Differenz 13.600 € p.a. mal 20 Jahre = 272.000 € mehr Zinskosten auf die nächsten 30 bis 40 Jahre.
Berichtet berechnet aus der Differenz 127.000 € mit reinem Zinsfuß von 5,45 %, ergibt jährlich 6.921,5 € weniger Zinsen, was faktisch eine Ersparnis von 138.000 auf 20 Jahre real bedeutet, und plus die 127.000 € weniger Kaufkosten.
Egal wie man rechnet, die Kreditkarten sollte man vorher lochen, weil sonst das Bezahlen der Darlehnskosten bzw. die Sondertilgung scheitert! Damit man vor dem Einkommenszusammenbruch mit dem Haus abbezahlen fertig ist.
Man kann ja auf den § 505 d BGB mit anspielen, aber dieses noch klappt, sei dahin gestellt. Das bringt immer noch 2 % p. a. weniger Zinsen!
AW: (Große?) Spannbreite unterschiedlicher Gutachten zum selben Haus
Lieber Bruno,
haben Sie vielen Dank für die ausführlichen Antworten. Man hat den Eindruck, dass außer Ihnen fast niemand hierzulande in der Lage ist, Einschätzungen abzugeben, die ohne wirtschaftliche Fehler sind.
Ihr Punkt bzgl. derjenigen Fälle, bei denen die Bank sowohl Makler als auch Darlehensgeberin in einer Person ist, erscheint plausibel. In Bezug auf Ihre restlichen Ausführungen werde ich mal schauen, ob mir bei Gelegenheit eine Fragestellung einfällt, die auf Ihre Antworten passt.
AW: (Große?) Spannbreite unterschiedlicher Gutachten zum selben Haus
OT:
Vielen Dank Ursuppe. Du hast mit deinem Beitrag meinen Tag gerettet. Das ist leider Dauerzustand bei Bruno.
Leider kann ich nicht viel zu deiner Fragestellung beitragen, nur soviel, dass die Gutachter immer Spannen haben werden, genauso wie die Käufer bereit sind unterschiedlich viel Geld fürs gleiche Objekt zu zahlen. Je nachdem für wen das Gutachten ist (Käufer, Verkäufer, Bank), wird sich der Gutachter auch immer in die Richtung der jeweiligen Spanne orientieren.
Am schlimmsten ist es vermutlich bei nicht vergleichbaren Objekten oder Liebhaberobjekten.
Der eine will es nicht mal geschenkt haben, der Andere gibt dafür Unsummen aus. Sowas dürfte dann auch für einen Gutachter mit seinen objektiven Ansätzen schwierig zu bewerten sein.
Sind dagegen in einer Reihenhaussiedlung die letzten Jahre mehrfach fast identische Häuser verkauft worden, wird auch die Spanne zwischen den Gutachter sehr gering sein.
AW: (Große?) Spannbreite unterschiedlicher Gutachten zum selben Haus
Zitat von Ursuppe
Ahoi!
Mich interessiert der Hintergrund der starken Unterschiede in diesen beiden Faktoren. Denn: Beide Faktoren erheben ja den gleichen Anspruch, nämlich, ein Instrument zur Ermittlung eines realistischen Verkehrswertes zu sein? Auf welcher Grundlage aber können sie, salopp gesagt, jeweils behaupten: "ich weiß es besser!"?
Die Problematik ist, dass es einen "realistischen Verkehrswert" nicht gibt. Dieser ist letztendlich individuell. Die Wertermittlungsverfahren sind daher mannigfaltig und versuchen anhand äußerer Indizien und Merkmalen einen Wert zu ermitteln, der in die Nähe dessen kommt, was die jeweilige Gruppe des auf sie zugeschnittenen Ermittlungsverfahrens mehrheitlich als "realistisch" ansehen mag. Je nachdem welche Merkmale mehr Gewichtung erfahren ändert sich der Wert auch zum Teil massiv. Zu welchem Preis etwas verkauft werden kann, spiegeln diese Werte aber mitnichten dar in meinen Augen. Sie dienen lediglich der Orientierung, ob man sich angesichts des gefundenen Preises im Rahmen der gewählten Merkmale befindet.
Kurz aus der Nahbereichserfahrung meinerseits: In einer mir bekannten Reihenhaussiedlung mit identisch beschaffenen Häusern aus 1975 (Grundstücksgrößen weichen um ein paar qm ab) sterben so langsam die alten Bewohner weg. Einige Häuser standen zwischen 2022 und 2024 zum Verkauf, jeweils Mittelhäuser. Zustand letztendlich identisch mit der Notwendigkeit zur Kernsanierung, was auch jeweils durchgeführt wurde und wird. Die Preisspanne der verkauften Häuser lag zwischen 180k und 270k, wobei das der teuerste Preis nicht in der Niedrigzinsphase erzielt wurde. Makler waren in keine der Fälle eingebunden, sodass diese Kosten auch nicht "Verhandlungsmasse" gewesen sind.