Nachfolgender Artikel hab ich heute in der NZZ gefunden:

Derivate auf Hedge-Funds gewinnen an Beliebtheit
Finanzinnovation mit schwer abschätzbarem Gefahrenpotenzial

Zahlreiche Wall-Street-Banken haben begonnen, Derivate auf Hedge-Funds zu verkaufen. Die sogenannten Principle Protected Notes sind besonders unter Kleinanlegern sehr beliebt, da damit der Zugang zu Hedge-Funds einfach wird. Das Problem solcher Kontrakte ist, dass niemand so recht weiss, wie sie sich im Krisenfall verhalten.




dek. New York, im Dezember

An der Wall Street bedeuten Innovationen im Finanzbereich oftmals mehr Einnahmen. Ihnen sind deshalb in der Regel keine Grenzen gesetzt. Der letzte Schrei in der Finanzgemeinde Manhattans sind Derivate auf Hedge-Funds, Finanzkontrakte also, deren Preis auf der Entwicklung von Hedge-Funds aufbaut. Fairerweise muss man sagen, dass diese Innovation hauptsächlich von europäischen Banken wie der Societe Generale, der BNP Paribas und der Deutschen Bank eingeführt worden ist. Die Erträge sind hoch, so dass sich Nachahmer gefunden haben. Doch die Euphorie im Hedge-Funds-Derivatebereich ist mit Vorsicht zu geniessen, denn diese Kontrakte werden von Zynikern mit der in der griechischen Sage vorkommenden Schlange Ouroboros verglichen, die sich selbst in den Schwanz beisst. Es ist kein Geheimnis, dass Hedge-Funds bei weitem die grössten Benutzer von Derivaten sind und diese Märkte oft stark bewegen können. Besonders am Kreditderivate-Markt sind die Hedge- Funds so stark aktiv, dass sie oft die den Kontrakten unterliegenden Bonds bewegen und so auch die Performance traditioneller Investoren beeinflussen. Die Derivate auf Hedge-Funds sind noch wenig verbreitet, doch die Nachfrage der Anleger ist gross und die Verbreitung der Finanzprodukte damit nur eine Frage der Zeit.

Scheinbar ein Engagement ohne Verlust
Derivate auf Hedge-Funds sind in verschiedenen Versionen erhältlich. Am populärsten sind die sogenannten Principle Protected Notes, die dem Anleger die Möglichkeit bieten, an der Performance einer Gruppe von Hedge-Funds teilzunehmen. Solche Derivate sind vor allem deshalb ein Renner, weil sie den Investoren einen Minimalbetrag garantieren. Typischerweise erhält der Investor im schlimmsten Fall seine Investition zurück. Auf den ersten Blick sieht das also aus, als könne man dabei so gut wie nichts verlieren. Man kauft ein Zertifikat für 1000 $ und erhält im schlimmsten Fall am Ende der Investitionsperiode 1000 $ zurück. Falls die den Kontrakten unterliegenden Hedge-Funds eine gute Performance hinlegen, erzielt der Anleger einen durchaus guten Ertrag. Diese Kombination macht die Principle Protected Notes sehr attraktiv und hat so zweifellos zur hohen Nachfrage beigetragen.

Ein weiterer Grund für die Beliebtheit dieser Produkte ist der dadurch einfache Zugang zu Hedge-Funds. Dieser ist sonst für Kleinanleger mit Hindernissen verbunden. Gemäss amerikanischen Börsenregeln müssen Kleinanleger eine Reihe von Charakteristika aufweisen, um sich in Hedge-Funds engagieren zu dürfen. Diese Regeln sind im Fall von Principle Protected Notes nicht so streng. Insofern hat der Einzug der strukturierten Produkte auch zur Verbreitung des Hedge- Funds-Geschäfts beigetragen. Grossbanken wie Washington Mutual oder Bank of America kaufen Principle Protected Notes als Grossisten und verkaufen sie an Scharen von Kleinanlegern. Diese kaufen solche Produkte zum einen, weil sie vor Verlusten geschützt sind, und zum anderen, weil sie damit ein diversifiziertes Engagement in Hedge-Funds erhalten.

Doch nichts ist umsonst an der Wall Street. Das Risiko solcher Derivate ist nämlich nicht zu unterschätzen, da die Banken, die solche Produkte anbieten, einerseits in grossem Stil in Hedge-Funds engagiert sind und anderseits mit Hilfe von Fremdkapital bessere Renditen erzielen. Wenn ein Teil der Anlage mit Krediten finanziert wird, kann man mehr aus dem eingesetzten Kapital herausholen. Doch diese Strategie kann im Fall von Problemen schnell zum Albtraum werden, wie der Kollaps von Long Term Capital Management in den neunziger Jahren zeigte.

Ein weiteres Problem von Principle Protected Notes ist, dass sie Derivate auf Hedge-Funds sind. Hedge-Funds selber engagieren sich sehr stark an den Derivate-Märkten. Insofern sind die Produkte eine Art Derivate auf Derivate. Wenn die Hedge-Funds auf dem falschen Fuss erwischt werden und aus einer Anlage aussteigen wollen, kann dies schnell zu einer Kettenreaktion führen, deren Folgen niemand so recht quantifizieren kann. Der amerikanische Notenbankchef Alan Greenspan hat zwar vor solchen Gefahren gewarnt, doch das Ausmass des Problems kann man erst erfassen, wenn eine Krise tatsächlich eintritt.

Chaos mit den Delphi-Bonds
Ein Beispiel für das Ausmass der Engagements von Hedge-Funds in Derivaten ist der Wirrwarr mit den Bonds von Delphi (vgl. NZZ vom 10. 11. 05). Der Autozulieferer ist kürzlich Konkurs gegangen. Die Obligationen von Delphi sind vom Markt auf gut 50 Cent zum Dollar bewertet worden. Die Marktteilnehmer erwarten mit anderen Worten, dass Delphi rund die Hälfte der ausstehenden Obligationen decken kann. Problematisch wurde die Angelegenheit jedoch, weil Delphi ein grosser Bestandteil von rege gehandelten Kreditderivate-Indizes ist. Aufgrund der grossen Anzahl ausstehender Kontrakte ist es im Verlauf der letzten Wochen zu einem «Squeeze» von Delphi-Bonds gekommen, der vorübergehend zu irrationalen Preisen für die Bonds von über 70 Cent zum Dollar geführt hat.

Die Derivate-Märkte sind zwar ein robuster Bestandteil der Finanzwelt und dienen zweifelsohne dem effizienten Risikotransfer, doch in gewissen Fällen können sie durchaus zum Problem werden. Dessen sollte man sich auch bewusst sein, wenn man Derivate auf Hedge-Funds kauft.